Im Rahmen einer zweitägigen Konferenz haben die agrarpolitischen Sprecherinnen und Sprecher der SPD-Landtagsfraktionen und der SPD-Bundestagsfraktionen am Freitag Leitlinien für eine sozialdemokratische Landwirtschaftspolitik festgelegt. Die Ergebnisse der intensiven Debatten wurden in der „Hannoverschen Erklärung“ festgehalten, die klare politische Forderungen unter anderem in den Bereichen Agrarförderung, Digitalisierung sowie Umwelt- und Tierschutz enthält.
Karin Logemann, Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion Niedersachsen und Gastgeberin der Veranstaltung im Niedersächsischen Landtag, erklärt dazu: „Wir haben es in den letzten zwei Tagen geschafft, die mitunter unterschiedlichen Interessen der einzelnen Bundesländer zusammenzubringen und mit der Hannoverschen Erklärung den Grundstein für eine Neuausrichtung der deut-schen Landwirtschaftspolitik mit klarer sozialdemokratischer Handschrift zu legen. Dafür möchte ich mich bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern ganz herzlich bedanken.“
Dr. Matthias Miersch, stellv. Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion mit Zuständigkeit für Umwelt-Landwirtschaftspolitik: „Die Agrarpolitik in Deutschland und Europa befindet sich im Umbruch. Wir wollen, dass die Landwirtschaft der Zukunft nicht von einzelnen Großkonzernen beherrscht wird. Wir werden uns deshalb auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass auch kleine, familiengeführte Betriebe eine Chance haben, auskömmlich zu wirtschaften. Deshalb müssen auch der Erhalt und der Schutz von öffentlichen Gütern mit öffentlichen Geldern aus dem EU-Haushalt gefördert werden und nicht nur Eigentum und Fläche.“
Rainer Spiering, agrarpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion er-gänzt: „Den Trend zur Zentralisierung von Marktmacht sehen wir im Bereich der Landwirtschaft auf allen Ebenen und deshalb müssen wir hier dringend zu regulatorischen Maßnahmen kommen. Das gilt insbesondere auch für den Be-reich der Digitalisierung der Landwirtschaft. Wir werden es nicht hinnehmen, dass einzelne Agrar- und -Technologiekonzerne die alleinige Macht über sensible landwirtschaftliche Daten erhalten und fordern deshalb von Bundesministerin Klöckner endlich die angekündigte Einführung einer Stabsstelle für Digitalisierung im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.“
Die SPD-Bundespolitiker betonen: „Ministerin Klöckner muss jetzt endlich liefern. Es reicht nicht mehr, allerorten vollmundige Ankündigungen zu machen. Die Umbrüche in der Landwirtschaft wurden vom BMEL in den letzten Jahren eher staunend bewundert als aktiv gestaltet und damit muss nun Schluss sein.“
Mit Blick auf den zuletzt öffentlich debattierten Tierschutzplan für Niedersachsen betont Karin Logemann: „Auch auf unserer Konferenz waren wir uns einig, dass der Tierschutz eine entscheidende Rolle für die Akzeptanz von landwirtschaftlicher Betätigung spielt. Wir werden die inhaltlichen Ansätze des Tierschutzplans für Niedersachsen weiterführen und fordern auch auf Bundes-ebene eine entsprechende Nutztierstrategie, die das Tierwohl deutlich besser schützt als bisher.“
Hannoversche Erklärung
Die Landwirtschaft steht vor großen Veränderungen, zu diesen gehören der Strukturwandel, die gesellschaftlichen Erwartungen und die Digitalisierung. Hinzu kommen eine derzeit unkontrollierbare Preisentwicklung und unfaire Handelspraktiken durch zunehmende Konzentrationsprozesse. Insbesondere kleinere, familiengeführte Betriebe werden oftmals von der Entwicklung abgehängt. Dies schwächt die Vielfalt im ländlichen Raum und nimmt so Entwicklungsmöglichkeiten. Für uns Sozialdemokraten gehören Ernährungswirtschaft, Landwirtschaft und die ländlichen Räume zusammen und müssen in einem Kontext gedacht werden. Die Arbeit in der Ernährungs- und Landwirtschaft muss so bezahlt werden, dass Menschen davon leben können.
Die Neuausrichtung der Landwirtschaft muss sozial gerecht, ökologisch verträglich und ökonomisch rentabel aufgestellt werden. Dies ist nur möglich, wenn wir gemeinsam mit der Landwirtschaft die Zukunft gestalten. Dazu gehören auch unsere Lebensgrundlagen Wasser, Boden, Luft und Artenvielfalt heute und für die nächste Generation nachhaltig zu erhalten.
Daher fordern wir:
- die europäische Agrarpolitik neu auszurichten. Wir wollen Direktzahlungen so einsetzen, dass auch familiengeführte Betriebe eine Chance haben, weiterhin wirtschaftlich zu arbeiten. Wir wollen eine flächendeckende Landwirtschaft in Deutschland erhalten. An eine finanzielle Unterstützung der Betriebe müssen klare Bedingungen geknüpft werden. Eine davon ist, dass arbeitsintensive Betriebe besser gefördert werden. Die Marktposition der ErzeugerInnen muss gestärkt werden. Öffentliches Geld für öffentliche Güter: Öffentliche Leistungen auf allen Ebenen sollen insbesondere für den Schutz des Wassers, der Biodiversität, der Bodenfruchtbarkeit, der Bestäuber (Insekten) und der Humusschicht sowie dem Tierwohl an die Betriebe gezahlt werden.
- die Arbeitsbedingungen in der Agrar- und Ernährungswirtschaft zu verbessern. Harte Arbeit muss wertgeschätzt und entsprechend bezahlt werden sowie über Mindeststandards geregelt werden. In einigen Bereichen kommt es immer wieder zu einer Ausnutzung von LeiharbeiterInnen und ausländischen Arbeitskräften, diesem Prozess muss entgegengewirkt werden.
- die Chancen der Digitalisierung im Agrarsektor zu nutzen. Noch gibt es nicht überall eine ausreichende digitale Infrastruktur. Dies muss schnell geändert werden. Denn die digitalen Anwendungen ermöglichen eine einheitliche Datenerhebung und -verarbeitung von Agraranträgen, u.a. bei der Düngebilanzierung und bei Pflanzenschutzmaßnahmen und stellen so eine Arbeitserleichterung und eine Optimierung bei der Ausbringung von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln für die Betriebe und Behörden dar. Intelligente Datenverarbeitung und Sensorik sorgen dafür, dass unerwünschte Einträge reduziert werden. Datenschutz und Datensicherheit müssen gewährleistet werden. Zusätzlich brauchen wir staatliche Schnittstellen für die Landwirtschaft, die im Rahmen der Daseinsvorsorge deutschlandweit einheitlich gestaltet sind und kostenfrei zur Verfügung stehen.
- eine Nutztierstrategie des Bundes vorzulegen. Diese muss einem konkreten Zeitplan und Maßnahmen enthalten. Wir wollen den Tierschutz in Deutschland verbessern und bekennen uns zu einer flächengebundenen Tierhaltung. Auch muss der Verbraucher schon beim Kauf der Produkte über eine klare Kennzeichnung erkennen können unter welchen Bedingungen das Tier gehalten wurde, um so eine freie Entscheidung treffen zu können.
- den Insektenschutz ernst zu nehmen und den Umgang mit landwirtschaftlichen Flächen daraufhin auszurichten. Eine artenreiche Kulturlandschaft bildet die Grundlage für viele Tierarten, wie z.B. Insekten und Vögel. Bestäuber sind existentiell für die Landwirtschaft. Über eine nachhaltige Landbewirtschaftung können sich Landwirte an deren Erhalt beteiligen. Die Förderung der Biodiversität muss über Maßnahmen auf allen Ebenen unterstützt werden. Unser Ziel ist es, die Pflanzenvielfalt und die Biodiversität auf genutzten Flächen zu erhöhen. Dazu gehört u.a. eine Erweiterung der Fruchtfolge, eine Strategie zur konsequenten Minimierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln oder die Extensivierung der Bewirtschaftung. Besondere Bedeutung für den Erhalt der Artenvielfalt hat die Biotopvernetzung.
- dass die Sicherheit des Menschen auch in Zeiten der Rückkehr des Wolfes oberste Priorität hat. Betroffene, die durch den Wolf Schäden erleiden, müssen unterstützt werden, durch ein geeignetes Wolfsmanagement aber auch Herdenschutzmaßnahmen sowie durch eine gute, schnelle und effiziente Entschädigungen bei Rissen. Da der Wolf ganzjährig geschützt ist, sprechen wir uns gegen eine Aufnahme in das Jagdrecht aus.
- die ländlichen Räume durch soziale Teilhabe, wirtschaftliche Entwicklung und die Landwirtschaft zu stärken. Die Daseinsvorsorge muss gesichert sein.